Hallo Thorsten,
ebenfalls erst einmal herzlich willkommen im Forum - und merci fuer deine Antwort!
Und natuerlich hab' ich dazu auch weiterhin was beizutragen.
Thorsten Eppelmann hat geschrieben:Der TTR-Wert liefert einen recht guten Schätzer für die aktuelle Spielstärke eines Spielers in dem theoretisch möglichen Rahmen.
Ok, da sind wir uns einig.
Der theoretisch mögliche Rahmen ist allerdings sehr eingeschränkt. Hier spielt vor allem eine Rolle, dass eine lineare Skala für die Spielstärke sich nicht auf die Realität übertragen lässt. Die tatsächlichen Spielstärken sind vieldimensional geordnet. Dies drückt sich sehr nachvollziehbar dadurch aus, dass jeder Angst- und Lieblingsgegner hat. Der TTR-Wert ist denkbar schlecht dafür geeignet, den Spielausgang gegen solche Gegner vorherzusagen. Dieses Problem ist prinzipieller Natur und keine ausdrückliche Schwäche des TTR-Wertes.
Genau.
Optimalerweise haette man z.B. einen genauen Gewinnwahrscheinlichkeits-Wert gegen jeden einzelnen Gegner - abhaengig von dessen Material und Tagesform. Dass das (oder alle anderen Systeme, die MEHR als die gespielten Bilanzen beruecksichtigen koennen) bis auf weiteres illusorisch ist, ist klar - schon alleine aus Mangel an Vergleichspartien gegen die allermeisten Gegner.
Nimmt man das ernst, dann muss man sich natürlich fragen, für was man das ganze Spiel mit den Wertungszahlen treibt? Nun ja, vor allem und zuerst, um aus den Ergebnissen des letzten halben Jahres einen Hinweis für eine sinnvolle Aufstellung einer Mannschaft zu erhalten.
Genau.
Die
Aufstellung nach Spielstaerke ist im Regelwerk festgelegt, und daher sollte man ein System nutzen, das die Spielstaerke so gut wie moeglich einschaetzt. Zudem ist es - wie bei allen Sportarten - sehr interessant, Ranglisten in allen moeglichen Bereichen zu haben. Alleine schon fuer den Spieltrieb - und natuerlich auch fuer Schwanzvergleiche.
Alle weiteren Implikationen sind mathematisch grober Unfug. Zum Beispiel ist der verbandsübergreifende Vergleich von Spielern anhand einer Wertungszahl weitgehend sinnlos. Das reine Abzählen von Ligen ab Bundesliga, in denen zwei Spieler, die man vergleichen möchte, spielen, liefert in einem solchen Fall ähnlich gute Ergebnisse, wie der TTR-Wert.
Prinzipiell stimme ich dir zu.
Allerdings lassen sich Zahlen viel besser vergleichen, als irgendwelchen Ligen-Bezeichnungen, selbst wenn die ueberregionale Vergleichbarkeit des TTR geringer ist, als innerhalb eines einzelnen Kreises oder Bezirks. Wenn mir ein Sachsen-Anhalter Spieler erzaehlt, er spiele
Kreisoberliga, dann klingt das erst einmal beeindruckend - zumindest im Vergleich zu den mehrfach parallelen KL/1./2./3.KK in meinem Kontext. Wenn ich aber weiss, dass die
Kreisoberliga in einigen Kreisen Sachsen-Anhalts die
zweitunterste Klasse ist (unterste ist dann KL), relativiert sich die Einschaetzbarkeit wieder - gerade wenn in anderen Kreisen von Sachsen-Anhalt tatsaechlich noch eine KL/1./2./3.KK darunter kommt.
Wenn mir allerdings ein Sachsen-Anhalter sagt, er habe einen TTR von 1500, dann habe ich selbst bei einer sehr groben Toleranz von +-100 Punkten eine ganz gute Vorstellung davon, wie es mit seiner Spielstaerke aussieht. Und zwar ganz ohne die genauen Verbandsstrukturen von Sachsen-Anhalt wissen oder untersuchen zu muessen.
Punkt fuer den TTR - selbst in der derzeitigen nicht-normalisierten Version.
Wenn die Normalisierung erfolgreich ist, und die Spielstaerke tatsaechlich
im Schnitt bis auf sagen wir +-10 Punkte vergleichbar ist, ist fuer ueberregionale Turniere/Meisterschaften tatsaechlich noch mehr gewonnen.
Alle meine bisher zitierten Beispiele sind weiterhin stichhaltig. Insbesondere treffen die Ausführungen von Variatio nicht den Kern des Problems. Er verwechselt ständig apriori-Betrachtungen mit aposteriori-Betrachtungen.
Nein, das verwechsle ich nicht. Ich zeige lediglich auf, dass deine Beispiele praktisch nicht in der Lage sind, auf moegliche Probleme hinzuweisen. Dazu weiter unten.
Ich gebe zu, dass das Thema allerdings relativ schwer zu beschreiben ist.
Ich glaube nicht, dass das so schwer ist - zumindest, wenn man sich ueberlegt, was
Spielstaerke ueberhaupt ist.
Im Prinzip gibt es zwei verschiedene naheliegende Moeglichkeiten, von
Spielstaerke zu sprechen.
Das eine ist eine
subjektive Einschaetzung, wo man auf einen Spieler kuckt, dessen Technik/Athletik/Haendchen/Spielverstaendnis/... bewundert, und anhand dessen seine
Spielstaerke einzuschaetzen versucht. Dass dies ein ungenuegender Schaetzer ist, wissen wir zu genau. Das ist eher ein Schaetzer fuer das
Spielpotential - das aber in den Spielen erst abgerufen werden muss.
Die zweite - und entscheidende - Moeglichkeit ist dann folgerichtig der messbare Erfolg.Das moechte ich nun ein wenig aufdroeseln.
Beim Begriff
gleichstarke Spieler muss man nun aufpassen - dies kann verschieden interpretiert werden, wenn man zwei Spieler miteinander vergleicht.
- Zwei Spieler spielen gegen eine Menge von Gegnern jeweils die gleiche Bilanz - unabhaengig, wie sie selbst gegeneinander spielen. Dies will ich gleiche Staerke nennen.
- Zwei Spieler haben gegeneinander in einem gewissen Zeitraum (**) und in einer hinreichend grossen Anzahl von Spielen eine ausgeglichene Bilanz UND Spielergebnisse sind in ihrer Reihenfolge statistisch hinreichend unabhaengig voneinander (***) - unabhaengig, ob welche individuelle Bilanz sie gegen eine Menge von Gegnern spielen. Dies will ich identische Spielstaerke nennen.
(**) Hier sollte man Einschraenkungen vornehmen koennen, um z.B. Materialwechsel o.Ae. zu beruecksichtigen.
(***) Das hinreichend ist natuerlich sehr unscharf, soll aber grob verdeutlichen, was ich meine - weiter unten werde ich genauer darauf eingehen.
Dass Spieler
gleicher Staerke existieren, ist klar. Die Existenz von Spielern
identischer Spielstaerke nicht unbedingt - aber ich denke, es reicht die empirische Wahrnehmung, dass eigentlich jeder Spieler einen Gegner oder Mannschaftskamerad nennen kann, der diese Definition erfuellt - also wo eine ausgeglichene Bilanz besteht und ein Sieg oder eine Niederlage von der lokalen Tagesform oder Glueck abhaengt.
Wie du schon feststellst, gibt es im TT kein Unentschieden. Folgerichtig gibt es bei einem Match zweier Spieler immer einen Sieger, und wir erwarten bei
identischstarken Spielern, bei einer hinreichend grossen Anzahl von Spielen zwischen diesen beiden eine ausgeglichene Spielbilanz entsteht. Andernfalls ist naemlich unsere Annahme falsch, dass die beiden Spieler tatsaechlich
identischstark sind.
Dies fuehrt zum Kernpunkt - der dein Beispiel auch aushebelt:
Die von mir beschriebenen Phänomene treten auf, obwohl es zu keiner Veränderung der Spielstärken kam.
Erstens: Man kann nicht gegen sich selbst spielen. Geht nicht.
Ich weiss auch nicht, was das bedeuten wuerde - sind beide Ichs zu jedem Zeitpunkt des Spiels gleichstark? Kann das eine Ich Fehler des anderen Ichs analysieren und dazulernen? Sind die beiden Ichs so autark, dass das eine Ich evtl. schneller lernt bzw. einige Fehler schneller entdeckt - und damit fuer einige Spiele einen Vorteil hat, was z.B. eine 8:0-Serie erklaeren koennte? Ist zu diesem Zeitpunkt dann nicht tatsaechlich das eine Ich
staerker als das andere?
Zweitens:Nachdem das
Spiel gegen sich selbst als unsinnig dargelegt ist, koennen wir
identische Spielstaerke ueberhaupt nicht
a priori als
identisch stark einstufen. Sondern erst, wenn diese eine entsprechend grosse Anzahl an Spielen gegeneinander gespielt haben, und das Ergebnis des naechsten Spiels von den vorangegangenen hinreichend unabhaengig war - also insbesondere nur
a posteriori.
Nun zu dem "hinreichend": Hiermit meine ich, dass innerhalb der beobachteten Spielserie
keine laengeren Ketten von Siegen/Niederlagen auftreten.
DENN:Wenn ich eine solche Kette beobachte - WAS ist dann wahrscheinlicher in einem taktischen Sport wie TT, in dem man von einem Ballwechsel zum naechsten dazulernt und seine Taktik aendert? Ist es wahrscheinlicher, dass eine solche Kette zufaellig entsteht, oder dass einer der beiden Spieler waehrend der Kette tatsaechlich
besser war?
WIE will man anhand des Ergebnisses
unterscheiden, ob die Kette tatsaechlich zufaellig zustande kam, oder ob sie einen (temporaeren) Leistungsunterschied demonstriert?
Selbst wenn ich bei einem umkaempften 0:8 life dabei bin, wuerde ich mich nicht trauen, von einem
zufaelligen Ergebnis zu sprechen. DANN ist der Gegner halt eben in den wichtigen Punkten (die ja auch ganz zu Beginn des Satzes entstehen koennen) eben der
bessere Spieler. Punkt.
Analogie:Wir spielen in einer
realen Welt, in der Umstaende eintreten, wie im Modell nicht beruecksichtigt werden koennen. TT-Ergebnisse sind dabei aehnlich zu interpretieren, wie
reales Wuerfel-Wuerfeln:
Was ist wahrscheinlicher, wenn einer 10 Mal hintereinander die 6 gewuerfelt hat - dass das Ergebnis
zufaellig zu Stande kam, oder dass der Wuerfel gezinkt ist?
Was ist wahrscheinlicher beim TT-Spielen, wenn einer 8 Mal hintereinander gewonnen hat - dass er eine zufaellige Serie gespielt hat, oder dass er gerade besser/nervenstaerker ist? Und selbst wenn er daraufhin 8 Mal verlieren sollte - spricht nicht ALLES dafuer, dass der Gegner sein Spiel umgestellt hat, und nun eben der bessere Spieler ist?